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Die “CAFTA”

Aktuell (Stand 02/2022) ist die Empore des Graf-Anton-Günther-Forums der zentrale Rückzugsraum für Oberstufenschüler*innen der GAG. Nicht nur, weil dieser Bereich als Teil des Forums immer wieder auch anderweitig genutzt wird oder bei Veranstaltungen im Forum geräumt werden muss, kann er sich wohl nicht messen mit dem Oberstufenraum der Jahre 1981-1995, der als „CAFTA“ in Schüler- und Lehrerschaft berühmt und berüchtigt wurde. Der folgende Text mit dem Titel „Damm 38: Welcome to the Jungle – Ein Plädoyer für innerschulische Schutzräume“ erschien in der GAG-Jubiläumsfestschrift von 1997 und verdeutlicht aus der Perspektive einer Abiturientin von 1994 den Stellenwert der Cafta für frühere Generationen von GAG-Schüler*innen.

„Klar, denk’ ich an ABI, denk’ ich an Cafta. Der Geruch von Kaffee, vertrautes Stimmengewirr in der Luft, jahrgangsweise wechselnde Kultplakate an den Wänden (bei mir waren es Else Kling und die Maus mit dem Elefanten), Knatschmusik aus dem klapprigen Kassettenrecorder (ebenfalls mit hohem Kultfaktor) und höchst vertrautes Mobiliar, das sich, aus dem elterlichen Wohnzimmer gerade noch vor dem Sperrmüll gerettet, hier sein Gnadenbrot verdient.

Die Cafta war das erste Extra des Tages, wenn ich vor dem Unterricht noch reichlich verschlafen, trotz obligatorischen Zeitmangels, noch schnell die Nase durch die Tür steckte, um ein kurzes „Mooiinn“ in die Runde zu werfen und das Neueste vom Tage zu hören, denn der Informationsfaktor war in allen Belangen (schulischen wie außerschulischen) geradezu atemberaubend, was allgemein sehr praktisch, gelegentlich aber fatal war.

Cafta – das ist gemeinsame Entspannung und Panik, Gemütlichkeit und Streß, Spaß und Frust nach dem Motto „geteiltes Leid entbehrt selten einer fröhlichen Absurdität“.

Erstaunlich auch immer wieder die überaus unterschiedlichen Tätigkeitsfelder, für die die Cafta offensichtlich Raum bot. Offizielle sowie inoffizielle Freistunden wurden gewissenhaft genutzt für das Abschreiben von Hausaufgaben (weil’s da nicht so wackelt wie in Bus und Bahn), zur Vorbereitung von Klausuren oder zum Kräftetanken für das anstrengende AbiturientInnenleben (Tiefschlafphasen inklusive), aber auch für die Pflege von tiefen zwischenmenschlichen Kontakten (daß es sich auf dem Chemieflur nicht besonders stimmungsvoll küssen lässt, ist wohl nicht schwer nachvollziehbar).

Ja, und dann konnte man in der Cafta vor allem natürlich feiern. Eigentlich zu jeder Gelegenheit. Ob NULL oder Fünfzehn Punkte, Ferienbeginn, Geburtstage oder unerwarteter Unterrichtsausfall und natürlich alles, was irgendwie mit dem Abitur zu tun hat. Nicht zu vergessen, das allweihnachtliche, stets gut besuchte Ehemaligentreffen in verklärt schwelgenden Erinnerungen bis in die späte Nacht.

Zugegeben, all das klingt bis jetzt zwar recht nett und sympathisch, aber für einen Aufenthaltsraum einer Oberstufe nicht besonders außergewöhnlich. Dennoch haben die HerausgeberInnen dieser Schrift es für wichtig befunden, in Hinsicht auf ein Jubiläum wie dieses, der Cafta einen Platz einzuräumen. Ein bißchen wundere ich mich darüber, denn die Cafta wurde von Seiten einiger Unterrichtender gern als schulinternes „Sodom und Gomorrha“ gesehen.

Umso mehr freue ich mich über die Gelegenheit, ein Plädoyer für innerschulische Schutzräume halten zu können. Denn: Unsere Cafta war da etwas ganz Besonderes!

Das Gebäude Damm 38, das denkmalgeschützt bis 1996 den Oberstufenaufenthaltsraum der GAG beherbergte, hatte eine entscheidende Eigenschaft: Es lag außerhalb des Schulgebäudes, war für SchülerInnen der Sekundarstufe I offiziell und LehrerInnen inoffiziell unzugänglich und wurde autonom von uns gestaltet und bewirtschaftet. Es war unser Haus, unser Rückzugsort und vor allem ein außerschulischer Ort schulischer Identifikation.

Auf eine Landkreisschule wie das GAG zu gehen, bedeutet lange Wege: Freundschaften, die oft über Strecken von Benthullen bis Hude, von Wüsting bis Ahlhorn aufrechterhalten werden wollen, und lange Freistundenblöcke, in denen man nicht mal schnell zum Essen nach Hause fahren kann. So war die Cafta, die oft bis in den späten Nachmittag offen stand, auch ein Treffpunkt, der mit der Schule manchmal nur indirekt zu tun hatte. Das ist etwas, was unsere Cafta von Aufenthaltsräumen anderer Schulen unterschied.

Außerdem braucht eine Schule wie das GAG einen Raum mit extremer Schmelztiegelfunktion. Egal, ob humanistische, naturwissenschaftliche oder musische Orientierung, ob AkademikerInnen- oder LandwirtInnenkinder, wer aus dem Landkreis kommt, hat keine Wahl zwischen speziell ausgerichteten Schulen, man geht eben aufs GAG. Um so verschiedene Menschen zu einer Schulgemeinschaft werden zu lassen, braucht es mehr als organisierte Klassenpartys und Sportfeste. Es braucht einen Raum, der einerseits in unlösbarer Verbindung mit der Schule steht, und andererseits frei ist von deren direkter Einflußnahme.

Ich denke, daß aus diesen Gründen die CAFTA am Damm 38 viel, vielleicht mehr als LehrerInnen bewußt sein mag, zu einer (zumindest teilweise) positiven Identifikation mit der Schule beigetragen hat und es vielleicht sogar so etwas wie einen „GAG-Spirit“ gibt.

In diesem Sinne: ein Hoch auf vergangene Caftazeiten – und Party on!“

Text 1 und Bilder: M. Schumacher mit Schüler*innen des Seminarfachs “Schulgeschichte(n) erforschen” (2019-2021)
Text 2: K. Bretschneider
(In: F. Binternagel / U. Keller-Cornelius / H.-J. Winzer [Red.]: 75 Jahre Graf-Anton-Günther-Schule. 1922-1997. Festschrift. Oldenburg 1997, S. 111f.)

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