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100 Jahre GAG

4. April 1922: 21 Jungen und drei Mädchen treten in der Peterstraße zur Aufnahmeprüfung für die neu gegründete „Staatliche Aufbauschule in Oldenburg“ an. Ob sie sehr nervös sind? Vermutlich. Gut zwei Wochen später, am 20. April 1922, erleben 17 von ihnen ihren ersten Schultag an der Schule, die erst seit 1938 Graf-Anton-Günther-Schule heißen wird. 1928, also nach sechs Jahren, findet ihre feierliche Entlassung statt: Mit Kopfnoten für „Betragen“, „Aufmerksamkeit“, „Ordnung“ und „Fleiß“ und einem Abitur in der Tasche, das Fremdsprachen eher vernachlässigte und dafür einen Schwerpunkt auf sog. deutschkundliche Fächer setzte, verlassen die ersten Absolventen die Schule.

Genauer wäre es, hier von „Absolventen und Absolventinnen“ zu sprechen, denn diese Aufbauschule ist damals die erste Schule in Oldenburg, die Jungen UND Mädchen gemeinsam den Weg zur Reifeprüfung und somit den anschließenden Besuch einer Universität ermöglicht. Doch nicht nur die Koedukation unterscheidet diese Schule von anderen höheren Schulen in Oldenburg: Sie gilt als „Bauerngymnasium“, das vorrangig von Schüler*innen aus ländlichen Gebieten besucht wird. 1939 erklärt eine Verfügung des zuständigen oldenburgischen Ministers sie auch offiziell zur „Oberschule der Landjugend“ und schließt vorerst Stadtschüler*innen aus.

Im gleichen Jahr beginnt ein Schulleben im Ausnahmezustand, nachdem bereits vorher regelmäßiges Feiern des „Führergeburtstags“ und ähnliche Huldigungen der NS-Herrschaft die Atmosphäre an der Schule verändert haben. Ernteeinsätze, das Nähen von Sandsäcken oder die Ausbildung zu Luftwaffenhelfern treten bis Kriegsende zunehmend an die Stelle von Schulunterricht, und der Schulweg wird aufgrund von Luftangriffen bisweilen zu einer gefährlichen Zugreise. Nach dem Zweiten Weltkrieg erinnert die Schulgemeinschaft an ihre Toten: Die Namen von gefallenen Schülern und Lehrern werden jährlich bei gemeinsamen „Totengedenkfeiern“ verlesen. Erst später geraten auch andere „Opfer des Krieges“ in den Blick der Schulöffentlichkeit, besonders eindrücklich schließlich im Erinnerungsgang 2015.

Als die GAG 1947 ihr erstes großes Jubiläum (25 Jahre) feiert, sind erstmals Ansätze zu einer Mitbestimmung der Schüler*innen bei wichtigen Schulangelegenheiten nachzuweisen:  Sie dürfen an der Erarbeitung einer Hausordnung mitwirken. „Achtet auf eure Gesundheit. Benutzt die Pausen, um an die frische Luft zu gehen […]. Lüftet eure Klassenräume.“ – Man könnte meinen, die Autor*innen hätten damals schon die Corona-Pandemie kommen sehen, die ab 2020 das Schulleben für bislang (Stand 02/2022) fast zwei Jahre verändern sollte.

1958 erscheint in der GAG der erste „Kranich“ (nein, weder Vogel noch Pferd) und 1959 schließlich berichtet die lokale Presse vom „jubelnde[n] Einzug ins ‚Schülerparadies‘“, in ein „in Oldenburg beispielloses Schulgebäude“: Die GAG befindet sich fortan in der Schleusenstraße.

Mit der Forderung „Die Lehrerklos werden vergrößert und zu Schülerklos. Die Schülerklos werden Lehrerklos!!!“ wendet sich ein anonymer Verfasser 1968 in einem Schülerzeitungsartikel an die „GENOSSEN“ an der GAG, denen er einen „spektakuläre[n] Sieg der Schülermassen über die Ausbeuter unseres Geistes“ prophezeit. Dass zumindest Teile der Schülerschaft der 68er-Bewegung nicht nur mit Ironie begegnen, registriert der damalige Schulleiter Hans Dumkow. Er kritisiert in einem Elternheft, dass doch manch ein Schüler „mit destruktiven Parolen und klischeeverhafteten Thesen“ die um Unterricht bemühten Lehrkräfte bisweilen zur Verzweiflung bringe.

Im Lehrerkollegium umstritten sind die Oberstufenreformen der 1970er Jahre, vor allem die Auflösung der Klassen zugunsten eines Kurssystems und die damit verbundene Möglichkeit für Schüler*innen, eigene Fächerschwerpunkte zu setzen. Schulleiter Günther Solling befürchtet die „Gefahr einer Orientierungs- und Bindungslosigkeit des einzelnen Schülers“. Neue Bindungen zwischen den Oberstufenschüler*innen schafft ab 1981 die „CAFTA“ am Damm 38, die für mehrere Schülergenerationen zu einem wahren Mythos wird und sogar einen eigenen Nachruf („Welcome to the Jungle“) in der GAG-Jubiläumschronik von 1997 erhält.

Enge, bis heute bestehende Bande knüpft die GAG Ende der 1980er Jahre auch zur Eden-Valley-Watkins-High-School in Minnesota, nur einer von mehreren langjährigen Austauschpartnerpartnerschulen. Überzeugend simuliert werden internationale Beziehungen dagegen, seit die GAG 1996 erstmals Delegierte zur Model United Nations schickte. Seit 2001 stolpert man auch in Oldenburg über wohl gekleidete OLMUN-Akteure (ext. Link) der GAG.

GAG-Schüler*innen wagen sich aber nicht nur erfolgreich auf diplomatisches Parkett: So erspielen sich die Handballer im März 2000 bereits den sechsten „Jugend-trainiert-für-Olympia“-Landessieg, bevor die Handballerinnen 2001 im Bundesfinale sogar die Bronzemedaille mit nach Hause nehmen dürfen. Ausgezeichnet werden wiederholt auch unsere Nachwuchsforscher*innen, sei es als Aerodynamik-AG bei „Jugend forscht“ oder individuell mit einem MINT-EC-Zertifikat seit 2014/15. Im Jahr 2017 sind GAG-Schüler*innen mit ihrer verfilmten Suche nach dem Ei des Kolumbus bei der 9. Niedersachsen Filmklappe mehr als erfolgreich. Als „Sieger der Herzen“ dürfen sich bereits seit 1988 Generationen von GAG-COMBO-Mitgliedern fühlen: Sie sorgen – nicht nur bei gemeinsamen Auftritten mit der Theater-AG (erstmals 1991 mit Shakespeares „Der Widerspenstigen Zähmung“) oder ihren sommerlichen „School’s Out“-Konzerten – immer wieder für Begeisterungsstürme des Publikums.

Im Jubiläumsjahr 2022 gibt es also für uns mehr als einen guten Grund zum Feiern!

Text: M. Schumacher mit Schüler*innen des Seminarfachs „Schulgeschichte(n) erforschen“ (2019-2021)
Bild: „Die ersten Schüler. Untertertia des Jahres 1922“. (In: F. Binternagel, H.-J. Winzer [Red.]: GAG 82 – Chronik 1922-2004. Oldenburg 2004, S. 14)

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